Liebe Schülerinnen und Schüler,
darf ich eigentlich jemandem eine Ohrfeige verpassen, wenn er mir den Rucksack wegnimmt oder aus „Spaß“ auf meinen Füßen steht?
Muss ich immer die Wahrheit sagen oder ist die Lüge auch mal erlaubt?
Merke ich den Unterschied zwischen „verliebt“ und „lieben“?
Wie geht man in anderen Kulturkreisen mit „meinen“ Problemen um?
Ist die Neigung zur Gewalt angeboren?
Woran misst man ein überhaupt „gutes und richtiges“ Handeln?
Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich die Ethik schon seit mehr als 2500 Jahren. Ethik gehört sozusagen zur Philosophie (erklären wir im Unterricht) – und im Mittelpunkt der Ethik steht die Frage nach dem moralisch guten Handeln des Menschen.
Der Begriff Ethik wird von dem griechischen Wort ethos abgeleitet, was im Deutschen so viel wie Gewohnheit, Sitte oder Regel bedeutet. In den antiken Stadtstaaten (z.B. Athen) galten nämlich diejenigen Bürger als gute Menschen, die ihrem Handeln bestimmte Regeln zugrunde legten.
Die Diskussion über Regeln, Werte und Normen (natürlich in verschiedenen Kulturkreisen) wird also im Unterricht sehr häufig an der Tagesordnung sein.
Liebe Eltern,
Die Gesamtsicht der unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen auf das Fach stellt sich im Kern folgendermaßen dar:
Ethik sollte ein integratives Fach sein, das Wissen aus verschiedenen Fächern nutzt und erweitert und unter verschiedenen Perspektiven betrachtet.
Ethik sollte nicht bei der Beschreibung, Analyse und Deutung von Phänomenen unter fachwissenschaftlicher Perspektive verharren, sondern immer nach der Relevanz, der Bedeutung für unser Leben insgesamt, insbesondere für „ein gutes“ Leben fragen. Stärker als in anderen Fächern gilt der Anspruch, dass der angestrebte Konsens argumentierend im Dialog erfolgen muss und Fremdheit sowie Dissens ausgehalten werden müssen.
Aus der Tatsache, dass Menschen verschiedene Interessen sowie unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben, ergibt sich nahezu nötigend, allgemein akzeptable Handlungsnormen zu begründen.
Wenn ich mich also den Antworten auf die relativ zentralen Fragen „Was ist ein gutes Leben und wie kann man/ ich es führen?“ nähern möchte, müssen vorgefundene Entwürfe für ein (häufig nur angeblich) gelingendes Leben, Leitbilder und Handlungsnormen kritisch geprüft werden.
Dieses Nachdenken kann dann zu Einsichten in die Bedingungen des menschlichen Tuns führen. Dabei sollte deutlich werden, dass es einerseits eine Pluralität von Wertevorstellungen und Lebensentwürfen gibt und dass andererseits eine Verständigung über einen Minimalkonsens notwendig ist.
Das sollte dann dazu führen, bestimmte Muster des Handelns und Verhaltens zu erkennen und nur begründet abzulehnen, beurteilende Vergleiche zwischen den Wertmaßstäben anzustellen und die Über- oder Unterordnung bestimmter Werte begründet zu rechtfertigen.
Aus meiner Sicht eine Grundvoraussetzung, um (eventuell) das eigene Ethos korrigieren zu können und ein wirklich eigenes, reflektiertes Leben zu führen.
Über moralische Aspekte hinaus befasst sich die Ethik mit allen Aspekten der menschlichen Existenz,
sofern sie für die Frage nach dem „gelingenden Leben“ von Bedeutung sind.
Im Unterschied zu den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften kann nicht auf eine Grundlage gebaut werden, es kann nicht „von innen“ argumentiert werden, sondern es können nur für alle überzeugende Regeln gesucht und begründet werden.
Themen, Inhalte, Didaktik:
Der Rahmenlehrplan beinhaltet 6 Themenfelder, die in allen Jahrgangsstufen aufgegriffen werden können; wobei pro Schulhalbjahr Themen aus mindestens zwei Themenfeldern erarbeitet werden müssen.
Jedes Themenfeld ist stets unter den folgenden drei, sich überschneidenden didaktischen Perspektiven zu entwickeln:
1 individuelle Perspektive (Welche Bedeutung hat das Thema für den Einzelnen?)
- gesellschaftliche Perspektive (Welche gesellschaftlichen Muster und Regeln liegen dem individuellen Verhalten und den individuellen Einstellungen zugrunde? Welche Bedeutung hat das UT für das Zusammenleben und die gesellschaftliche Ordnung?)
- ideengeschichtliche Perspektive (Wie sind die Muster und Regeln, die dem individuellen Verhalten bzw. den gesellschaftlichen Normen zugrunde liegen, kulturell eingebunden? Welche Ideen liegen ihnen zugrunde? Wie sind sie entstanden? Gibt es allgemeine Überzeugungen, auf die sie zurückführbar sind?)
Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung:
Hauptgegenstand der Bewertung ist die Fähigkeit, unter ethischen Aspekten über Phänomene und Probleme zu reflektieren.
Etwas entschleiert zu diesem „Gummi“- Ansatz : zum einen die methodischen Kompetenzen (z.B. Erkennen der ethischen Fragestellung, Einnahme verschiedener Perspektiven und Positionen sowie deren Erörterung, Differenziertheit der Argumentation, Formulierung begründeter Stellungnahmen) -
und zum anderen das Einbringen von Kenntnissen in den drei o.a. Perspektiven (z.B. Menschenrechte, Regeln, Kulturen, Religionen, ideengeschichtliche Auffassungen).
Vielen Dank
Heinemann (Fachbereichsleiterin Gesellschaftswissenschaften)